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FORUM: Medien THEMA: Was darf Demokratie?
AUTOR BEITRAG
cibo

RANG Lord of Clanintern

#1 - 27.01 17:55

"Demokratie ist XYZ!"

Und XYZ sind Eigenschaften wie: toll, stabil, sicher und vieles mehr.

Demokratie verbinden die meisten Menschen damit, dass das Volk bestimmt.
Des Volkes Wille wird auf Umwegen zu Gesetzen.
Ich treffe hier ganz einfache Annahmen, die vieles außen vor lassen, um zum Kern der Sache zu kommen.






Ich will die Frage stellen: Was darf Demokratie?

Nehmen wir an, die Rechtfertigung für die Gesetze kommt aus dem Willen des Volkes. Und gilt als Maßstab. Welche Grenzen hat dann dieser Wille?
In Europa fällt es leicht vieles als "richtig" hinzunehmen, und einen großen Teil der Welt als "falsch" zu bezeichnen. Aber wenn in einem islamischen Land dieser Erde die Frauen Kutten tragen müssen, und geschlagen werden dürfen, dann ist das auch der Ausdruck des Willens der Bevölkerung.
Spinnen wir das weiter, und ich nehme hierbei gleich das sicher kommende Nazi-Argument vorweg:
Nähmen wir an, die Regierung Hitlers, und all ihrer Aktionen sei demokratisch gewählt und legitimiert gewesen. Dann wäre es der Wille des Volkes gewesen den Holocaust zu betreiben.

So, woher kommt nun der Anspruch, oder das Gesetz, das den Willen des Volkes einschränkt?
Verfassung und dergleichen ist auch nur ein Gesetz, dass mit einer größeren Mehrheit geändert werden muss. Aber es kann geändert werden.

Und wenn man die Antwort auf die Frage für sich selbst gefunden hat, dann stellt sich die Frage wie man es begründet und unterstützt. Die Mehrheit? Die Mehrheit kann sich immer für etwas entscheiden, und es durchsetzen.
patsetsfire *music, my true love*

RANG Prophet of Clanintern

#2 - 27.01 21:30

cibo, du hast einen aspekt der demokratie vergessen.
eine demokratie gründet sich ja auf eine verfassung oder auch grundgesetz in der festgelegt wird was man darf und was nicht.
siehe unser gg, darin steht zB die achtung der menschenwürde fest usw.

und grade dieses gg setzt ja gleichzeitig auch die grenzen. in deinem fäll wäre dann der holocaust verfassungswidrig und somit illegal.
cibo

RANG Lord of Clanintern

#3 - 27.01 21:37

quote:
Verfassung und dergleichen ist auch nur ein Gesetz, dass mit einer größeren Mehrheit geändert werden muss. Aber es kann geändert werden.


Auch unsere Verfassung kann geändert werden. Nichts hält uns auf das zu tun. Es braucht nur eine 2/3-Mehrheit. Und wenn es nun ein Gesetz gäbe, das "unabänderlich" ist? Dann muss es vielleicht irgendwann geändert werden, weil es nicht mehr zeitgemäß ist. Auch dann wird sich ein gesellschaftlicher Konsens bilden, dass man nun über die Worte "unabänderlich" hinwegsieht.
Dr. Udo Brömme

RANG Lord of Skill

#4 - 27.01 21:37

ewigkeitsklausel?
cibo

RANG Lord of Clanintern

#5 - 27.01 21:40

Man kann sich also ewig definieren, und nichts auf der Erde wird etwas ändern? Nun wissen wir also, was die Diktatoren falsch machen. Sie schreiben nicht in ihre Gesetze, das sie unabänderlich sein sollen.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#6 - 27.01 21:55

err... Meines wissens nach ist in der Verfassung verankert das die ersten 19 (?) Artikel - Bürger- und Menschenrechte - NICHT geändert werden dürfen - eine Lehre die man genau aus der Nazizeit gezogen hat - zu der diese ausser Kraft gesetzt werden konnten so das letztlich alles noch Verfassungskonform war - wenn auch nicht im "Geiste" der Verfassung.

Um diese Klauseln zu kippen bräuchtest du schon so ne breite Mehrheit das du dich entschließen kannst die ganze Verfassung zu kippen (sprich effektiv ne Revolution).

Allein die Existenz dieser Klauseln - als Ewigkeitsklauseln - macht eine (praktische) Abschaffung quasi unmöglich - nicht weil es nicht prinzipiell gehen würde - sicher - aber weil man einfach immer wieder drüber nachdenken muss warum und mit welchem hintergrund diese Klauseln auf ewig festgelegt worden sind.
huma

RANG Sucker

#7 - 27.01 22:02

quote:
err... Meines wissens nach ist in der Verfassung verankert das die ersten 19 (?) Artikel - Bürger- und Menschenrechte - NICHT geändert werden dürfen

Es ist in Art. 79 (3) verankert, daß eine Änderung der in Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze, der Gliederung des Bundes in Länder, oder der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung unzulässig ist.
cibo

RANG Lord of Clanintern

#8 - 27.01 22:11

quote:
Um diese Klauseln zu kippen bräuchtest du schon so ne breite Mehrheit das du dich entschließen kannst die ganze Verfassung zu kippen (sprich effektiv ne Revolution).

Nehmen wir diesen Fall mal an.
Die Mehrheit, die es ändern will ist also das Produkt aus Überzeugungskraft (=Waffengewalt, Macht, etc etc.) und Anzahl. Ich wollte dabei oben extra nicht das "dumme" Beispiel schreiben, dass Mehrheit im blödesten Fall eben die eine Person mehr ist, die nach einer körperlichen Auseinandersetzung 1:1 übrigbleibt.
Es ist natürlich eine recht theoretische Diskussion.


Und eine Frage die mir dazu einfällt: Wieso definieren dann nicht die "Diktatoren" dieser Welt ihre Gesetze und Machtansprüche als ewig?
Und wie definiert man denn den "Geist" oder die "Absicht"?

Wenn man Mensch plötzlich neu definiert, dann geht auch mit der Momentanen Verfassung sehr viel.
patsetsfire *music, my true love*

RANG Prophet of Clanintern

#9 - 27.01 22:38

cibo dieser fall hat dann aber nichts mehr mit demokratie zu tun.
klar is es im prinzip eine mehrheit, die da was ändern will, nur passiert das eben nicht auf demokratischem wege, sprich durch wahlen o.ä.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#10 - 27.01 22:45

Da fällt mir auf das der interessanteste Aspekt dabei ist, das Art 79 geändert werden KANN.

quote:

Und eine Frage die mir dazu einfällt: Wieso definieren dann nicht die "Diktatoren" dieser Welt ihre Gesetze und Machtansprüche als ewig?


Gegenfrage: Wie werden denn die Diktatoren dieser Welt abgesetzt? Entweder sie sorgen selbst dafür demokratie einzuführen, oder sie sterben und der nachfolger tut es, oder sie werden militärisch abgesetzt.

Alles dies sind keine gewöhnlichen Umstände einer Regierungsänderung....
huma

RANG Sucker

#11 - 27.01 22:57

quote:
Da fällt mir auf das der interessanteste Aspekt dabei ist, das Art 79 geändert werden KANN.

Es wird aber angenommen, das Art. 79 sich selbst schützt, bzw. die entsprechenden Passagen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ewigkeitsklausel#Ewigkeitsschutz_durch_Ewigkeitsschutz
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#12 - 27.01 23:05

Nun ja - es ist nicht explizit formuliert das der Artikel sich selbst schützt.
Damit ist es durchaus auch berechtigt anzunehmen das der Artikel die anderen artikel dadurch schützt, das sie durch verändern des artikels im ganzen angreifbar werden - was man ja auch nicht unbedingt in kauf nehmen will...

Was nicht explizit formuliert ist lässt spielraum für interpretation - genau hier wären wir wieder beim "geist" der Verfassung.
huma

RANG Sucker

#13 - 27.01 23:28

quote:
Nun ja - es ist nicht explizit formuliert das der Artikel sich selbst schützt.

Wie gesagt, es ist umstritten, es gibt Leute die sagen 'Ja' und es gibt Leute die sagen 'Nein'. Müsste dann wohl, wenn es mal drauf ankommen sollte, vom BVerfG endgültig geklärt werden.

Wenn der Artikel sich nicht selbst schützen würde, wäre ja der Schutz sowieso aufgehoben, da man sonst ja einfach den Art. 79 ändern könnte, und danach Art. 1 oder 20. Somit würde ich pers. sagen: Der Artikel schützt sich selbst.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#14 - 27.01 23:31

Wie gesagt - allein das man nicht direkten zugriff auf Artikel 1 - 20 hat schützt diese schon.

Und alles andere als diesen Artikel im ganzen herauszunehmen, wäre wohl nicht im Sinne des Artikels - sprich: (meiner Meinung nach) klar nicht verfassungskonform...

Allerdings denke ich nicht das es wirklich auf absehbare Zeit zu dem ernstfall kommt das sich jemand an diesen Artikel ranwagt...
cibo

RANG Lord of Clanintern

#15 - 28.01 11:03

Patsefire:

Wieso hat das dann nichts mehr mit Demokratie zu tun? Jeder darf frei waehlen, deswegen habe ich auch Macht aufgezaehlt: z.B. die Macht ueber die Medien, und so die Meinung.

Und nein, die Menschen waehlen schon heute nicht so, als waeren sie vollstaendig informiert. Es geht auch nicht um das ´objektiv´ richtige, sondern die Willenserklaerung etwas zu tun. Wie dieser Wille entsteht ist eine andere Frage. Und ihn zu bewerten ist auch nicht besonders demokratisch.


Ja, schoen und gut mit den Details zum Selbstschutz, interessant ist das fuer Juristen. Nehmen wir doch den Fall an, dass es geht, und gemacht wuerde. Wo sind dann die neuen Grenzen?
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#16 - 28.01 12:09

Das ist aber doch genau der Punkt - allein durch die existenz des Paragraphen ist es unwahrscheinlich das sich jemand einfach so dran vergreifen kann.

1. bräuchte man ne 2/3 Mehrheit
2. dazu noch müsste man das BVerfG kontrollieren - denn auch das kann dagegen immer noch einspruch erheben... *wenn geklagt wird*

und was Pat meinte:

Eine Diktatur ist selten demokratisch - deswegen taugt sie schlecht als Vergleich. Diktatur und demokratische Elemente schließen sich sogar in aller Regel gegenseitig aus.
Siehe Russland - dort ist man auf dem weg von einer Demokratie zu einer Diktatur.


Der Unterschied zwischen beiden: In einer Demokratie ändert Volkes Wille etwas, in einer Diktatur nicht.
cibo

RANG Lord of Clanintern

#17 - 28.01 16:16

Und wo ist der Qualitative Unterschied zwischen Gesetzen "auf ewig" durch eine Mehrheit und durch einen Diktator?
Wieso sollte man nicht mit denselben Verfahren wie bei einem "Diktator" die Gesetze der Demokratie aushebeln können?
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#18 - 28.01 21:07

*gähn*

cibo wenn du nicht vernünftig diskutieren willst sags vorher.

Wenn du über Demokratie redest redest du NICHT von einer Diktatur und umgekehrt. Jetzt durch vermengen beider Begriffe Argumente aushebeln zu wollen ist lächerlich...
cibo

RANG Lord of Clanintern

#19 - 28.01 21:51

Ihr redet doch an meiner Frage vorbei.

Ich frage was darf Demokratie, Ihr antwortet: "Äh, da gibt's ein Gesetz".

Ich sage: Nehmen wir an das gibt es nicht, oder wir hebeln es aus. Ihr antwortet: "Geht aber nicht."


Wenn ich die juristischen Feinheiten diskutieren will, werde ich das schreiben, ich hab nicht umsonst sehr allgemein über Demokratie geschrieben.

Das es da "ein Gesetz" gibt, das "ewig gilt" und "nicht geändert" werden kann reicht mir nicht als Begründung. Das habe ich doch dargestellt, und gefragt, wie man es begründen kann und will, und wie weit man gehen darf.
Das Gesetz sind nur Worte, die jemand ausführen muss.
cibo

RANG Lord of Clanintern

#20 - 28.01 22:12

Meinetwegen, machen wir es anders:

Nehmen wir ein Land an, nennen es mal "Substitan".
Dort gibt es keine Regierung, Verfassung oder irgendwie geartete Rechte. Die Menschen in Substitan kommen überein, ihr Zusammenleben regeln zu wollen.

Dafür setzen sie sich zusammen, und stimmen über ihre Regeln ab. Weil es nun auffälliges Verhalten einiger Tiere gibt, und der rothaarige G. viel mit ihnen zu tun hat, wird vermutet, dass er Schuld daran ist. Man stimmt also ab, ihn von den Tieren fernzuhalten, 8 von 10 Stimmen sind dafür. Wird durchgeführt.
Und siehe da, es geht den Tieren besser.

Man beschließt also, G. endgültig von den Tieren fernzuhalten. Stimmt darüber ab, und wieder 8 von 9 dafür. Perfekt.

Und weil man Angst hat, das G. das nicht versteht, wird er weggesperrt.


Das ist doch demokratisch, oder nicht?

Und nun wieder die Frage: Wie weit darf Demokratie gehen, und wieso?
In anderen demokratischen Ländern werden Menschen umgebracht - das ist real - weil sie möglicherweise Verbrechen begangen haben. Das ist demokratisch unterstützt, nicht von einem "irren" Machthaber realisiert.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#21 - 28.01 22:30

Deine Frage beantwortet doch aber genau jene Demokratie die wir haben selbst - eben durch die "Ewigkeitsklauseln".

Sry wenn das vielleicht nciht rüberkommt - aber mit den Menschen- und Bürgerrechten die es bei uns gibt beantwortet unsere Demokratie die Frage danach was sie nicht darf - nämlich sich über diese Regeln hinwegsetzen.

Bis auf den Wehrdienst der da reinfällt (aber nur als recht gilt das der staat auch prinzipiell aussetzen kann) machen die auch eigentlich alle sinn....

quote:

In anderen demokratischen Ländern werden Menschen umgebracht - das ist real - weil sie möglicherweise Verbrechen begangen haben. Das ist demokratisch unterstützt, nicht von einem "irren" Machthaber realisiert.


Wobei wir wenn wir genauer hinschauen sehen das solche Strafen in aller Regel nur für schwerste verbrechen verhängt werden. Ist bisschen platt es so hinzustellen als würde dort wild wütend mit der Guilloutine gerichtet wie im Frankreich unter Robbespiere...

Im übrigen verweise ich erneut auf die Menschenrechte (speziell Art 2 Absatz 2:
quote:

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

)

Damit gehe ich auch in der Frage Todesstrafe konform.

P.S: Selbst laut 8. Zusatzartikel zur Verfassung ist die Todesstrafe fragwürdig:

quote:

Excessive bail shall not be required, nor excessive fines imposed, nor cruel and unusual punishments inflicted.


Darüber das die Todesstrafe grausam ist kann man nämlich durchaus streiten. Ich würde sagen: Ja.

P.P.S: Interessantester Aspekt dabei ist, dass in den USA kein explizites recht auf Unversehrheit der Person zu existieren scheint. Lediglich ein explizites Folterverbot existiert wohl irgendwo (grade beim durchschauen nicht gefunden)...
cibo

RANG Lord of Clanintern

#22 - 28.01 22:42

quote:
Sry wenn das vielleicht nciht rüberkommt - aber mit den Menschen- und Bürgerrechten die es bei uns gibt beantwortet unsere Demokratie die Frage danach was sie nicht darf - nämlich sich über diese Regeln hinwegsetzen.


Eben, diese gelten bei uns, für unsere Demokratie. Unsere, und nur diese. Unsere Nachbarn haben andere Antworten auf diese Fragen, was Demokratie so darf und was nicht.

Und diesen gemeinsamen Konsens, sollte es ihn geben, suche ich. Ich stelle mir die Frage, ob eine Demokratie (also Demos, das Volk, bestimmt) _alles_ entscheiden darf, oder nicht. Und wenn das Volk etwas nicht entscheiden darf, wieso das Volk das nicht darf.

quote:
Wobei wir wenn wir genauer hinschauen sehen das solche Strafen in aller Regel nur für schwerste verbrechen verhängt werden. Ist bisschen platt es so hinzustellen als würde dort wild wütend mit der Guilloutine gerichtet wie im Frankreich unter Robbespiere...

Mir ging es hierbei nur darum, dass es ein demokratisch legitimiertes Verfahren ist. Es gibt Leute dafür und dagegen. Die einen demonstrieren, die anderen wählen so dass es bleibt. Und in der Summe sind scheinbar genügend Leute dafür, sonst würde sich (unter idealen Bedingungen) etwas ändern.

quote:
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Also darf man doch Gesetze machen, um sie einzusperren und körperlich zu versehren?
Ist es dann nur eine Frage der Interpretation was man darf und was nicht?
Green, M.D.

RANG Master of Clanintern

#23 - 28.01 22:59

Das Volk darf ethisch gesehen nicht über alles entscheiden. Es gibt ein Mindestmaß an persönlicher Freiheit in das selbst 6 Milliarden andere nicht hereinreden können. Das kann man jetzt naturphilosophisch, religiös oder sonstwie ethisch begründen, ich halte es außerdem noch für weitgehend intuitiv. Jeder Mensch hat ab Geburt eine große Menge an prinzipiellen Entfaltungsmöglichkeiten, ihm alle zu nehmen ist meines Erachtens unmenschlich. Komplexe Systeme in denen dem einzelnen keine Entscheidungsfreiheit zugestanden werden kämen mit viel simpler gestrickten Wesen aus.

Jede moderne Demokratie die mir momentan einfällt hat dementsprechend auch irgendeine Form von Minderheitenschutz über einen Konsens an Individualgrundrechten.


Dazu kommt die praktische Frage.
Eine Demokratie in der die Minderheit konsequent in allen Belangen an die Entscheidungen einer Mehrheit gebunden ist, insbesondere eine in der die Mehrheit diese Freiheit dann noch missbraucht wird reichlich schnell zerbrechen weil die Gefahr groß ist, bereits bei der ersten großen Abstimmung einen substantiellen Anteil der Gesamtbevölkerung (sagen wir, 49%) tödlich zu vergrätzen. Demokratien leben vom Konsens (und, da es mehr als ein Reizthema in der Welt gibt, wechselnden Mehrheiten). Das Fortbestehen eines demokratischen Systems seh ich damit nur gesichert, wenn die Minderheit, wenn schon nicht mitbestimmend, zumindest beachtet wird. Alles andere endet früher oder später in einem Bürgerkrieg oder einem System das großflächig mit Repressalien arbeiten muss und damit zunehmend ineffizient wird um deswegen von Demokratien mit besserem Individualgüterschutz (oder aber gleich einer anständigen Diktatur die eine demokratisch unsinnige Gehirnwäsche erlaubt*) überrundet zu werden.


*Ich gehe davon aus, dass in einer Demokratie freie Meinungsbildung herrschen muss, per Definition. Das Volk herrscht nicht wenn es einseitig durch eine Minderheit gelenkt wird, als Reizwort sei die DDR genannt. Wer mir in diesem Punkt widerspricht möge begründen inwiefern ein Feudalsystem in dem letztlich die herrschende Macht aus dem Volk rekrutiert wird, das nur nicht auf den Gedanken kommt seine eigentlich vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, keine Demokratie ist.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#24 - 29.01 00:07

quote:

Eben, diese gelten bei uns, für unsere Demokratie. Unsere, und nur diese. Unsere Nachbarn haben andere Antworten auf diese Fragen, was Demokratie so darf und was nicht.


Er... wo war unklar das ich diese unsere Definition von Demokratie unterstütze? Da brauchst du mir dann auch nicht mit "andere sehen das anders" kommen.

P.S:
quote:

Und diesen gemeinsamen Konsens, sollte es ihn geben, suche ich. Ich stelle mir die Frage, ob eine Demokratie (also Demos, das Volk, bestimmt) _alles_ entscheiden darf, oder nicht. Und wenn das Volk etwas nicht entscheiden darf, wieso das Volk das nicht darf.


Das wir keine Pöbelherrschaft wollen ist sicherlich klar... *den auswuchs der Demokratie in dem der Pöbel regiert - stichwort lynchmob*


Aber fassen wir einfach mal kurz zusammen:

Ich sehe unseren Grundrechte Katalog als gute Antwort darauf was Demokratie darf und was nicht.
Warum? Die kurze Antwort: Weil schon andere Staatssysteme daran gescheitert sind, dass die Bürger nach genau diesen Rechten verlangt haben. (stichworte Feudalherrschaft und DDR).
Oh ja ich weiß das ich mich auf Argumentativ sehr dünnem Eis bewege, aber sry genauso könntest du mich fragen warum 1+1=2 ist (und ja - ich weiß das es dafür mengentheoretische Beweise gibt...)

Im übrigen ist das größte Problem der Demokratie, das sie nicht direkt funktionieren kann ohne eine entsprechend "aufgeklärte" Bevölkerung. Ergo sind wir in der Situation - und werden es vermutlich noch eine ganze weile bleiben - in der eine funktionierende Demokratie nur indirekt sein kann (daher wahl von Volksvertretern).
Denn genau hier greift eigentlich was du ansprichst:
Demokratie darf nicht alles - und das sie nicht willkürlich missbraucht wird stellt die Wahl von Volksvertretern sicher - statt wirklich die Gesetze durch das Volk machen zu lassen.
Dem Volk kann man diese Aufgabe nämlich nicht allein übertragen - dazu bräuchte es zu viele Informationen - um die "richtigen" entscheidungen zu treffen.
cibo

RANG Lord of Clanintern

#25 - 30.01 22:41

Nicht dass Ihr meint ich habe keine Lust hier was zu schreiben, nur grade wenig Zeit das ausführlich zu tun...

Der Aspekt von Dottore gefällt mir sehr gut, darüber muss ich mir noch Gedanken machen
Also "wie klein eine Minderheit" sein darf, bevor jeder der Mehrheit keine Angst hat durch ihre Entscheidung selbst irgendwann in die Minderheit zu gelangen. Das waren nun zu viele Verneinungen...
Besser: Also "wie klein eine Minderheit" sein darf, damit jeder der Mehrheit Angst hat durch die Entscheidung selbst irgendwann in eine nicht verteidigbare Minderheit zu gelangen.

Das ist wirklich interessant!

quote:
Das wir keine Pöbelherrschaft wollen ist sicherlich klar... *den auswuchs der Demokratie in dem der Pöbel regiert - stichwort lynchmob*

Ja wie? Lieber Aristokratie?
Das ist mir zu, hmmm, gebildet ausgedrückt. Ich möchte Demokratie betrachten, ohne äußerst intelligente Nutzer zu postulieren. Da greift der obige Aspekt wesentlich besser!
Einfach weil weniger Vorraussetzungen erfüllt sein müssen, frei nach Ockhams Rasiermesser.

Damit kann man nun grundlegende Entscheidungen erklären, unterstützen, und Zusammenhänge aufdecken. (Im Rahmen dieser Theorie). Aber wenn man nun weitergeht, zu komplexen Themen, dass ist eine interessante Frage. Nehmen wir den Mindestlohn. Der ist weder vollständig verstanden, noch hinreichend erklärt. Und wo ist da die Minderheit?

Oder die staatliche Tötung von Delinquenten. Das trifft nur solange zu, wie die Mehrheit glaubt nie selbst betroffen zu sein. Unter obiger Annahme dürfte das nur unter schwersten Bedingungen durchgeführt werden.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#26 - 31.01 10:09

quote:

Ja wie? Lieber Aristokratie?
Das ist mir zu, hmmm, gebildet ausgedrückt. Ich möchte Demokratie betrachten, ohne äußerst intelligente Nutzer zu postulieren. Da greift der obige Aspekt wesentlich besser!


Lies halt was ich schreibe - genau daraus habe ich gefolgert das wir keine direkte Demokratie machen können - weil dazu der "gebildete und aufgeklärte Bürger" fehlt. (ob es davon überhaupt einen gibt / je einen geben wird sei dahingestellt).

Noch dazu müssten dann jedem Bürger alle staatsgeheimnisse zugänglich gemacht werden - was durchaus unpraktisch wäre (stichwort geheimhaltung).

P.S: Du führst hier weniger eine Demokratiediskussion als eigentlich vielmehr eine Gerechtigkeistdiskussion...

Von daher könnte man den Ansatz nehmen:
Man nehme eine Gruppe Individuen. Diese lasse man dann Regeln ausarbeiten für einen Staat / gerechtes zusammenleben - und zwar ohne dass sie vorher wissen was sie in diesem Staat werden (intelligent, dumm, behindert, Mörder, verbrecher, arm, reich etc.)

Sprich: Man gehe davon aus das ein Mensch keinerlei soziale Stellung bzw. sonstige eigenschaften habe und gehe dann mit dem einfachen Kalkül ran, dass er für jeden Fall abgesichert sein will...


So wird man zum Beispiel generell darauf kommen das man einen Minderheitenschutz haben muss - seien diese Minderheit nun sozial schwache, Behinderte, Reiche, Manager oder Fließbandarbeiter...
*anmerkung: Mehrheiten können sich in einer Demokratie in aller Regel selbst schützen, minderheiten nicht, deswegen muss man eben die rechte der Demokratie dahingehend einschränken dass sie auch mit minderheiten nicht alles machen darf. Auch da ist ein schutzmechanismus, dass nicht der einfache Bürger direkt demokratisch entscheidet was gemacht wird; ein anderer der grundrechtekatalog.

@Mindestlohn

Einfach gesagt ist der Mindestlohn eher eine Stärkung einer Minderheit (schlecht qualifizierte Arbeitskräfte). Effektiv ist auf die Art der Lohn (den der Arbeitgeber aufgrund der wirtschaftlichen Lage (viele schlecht qualifizierte Arbeitssuchende) quasi "unbegrenzt" nach unten drücken kann...).
P.S: Die andere "Minderheit" sind dabei die Unternehmen die solche Jobs anbieten.

Wobei das eigentlich ein ziemlich schlechtes Beispiel ist. Das geht eigentlich schon fast in die Rubrik: Führung eines Wirtschaftsunternehmens (mit berücksichtigung sozialer aspekte).
cibo

RANG Lord of Clanintern

#27 - 01.02 14:53

Zu Aristokratie - Demokratie: Bitte übersieh doch nicht einfach den Smilie.
Aber ist die Forderung nach einem Filter nicht genau das? Aristokratie? Jemand, der es besser weiß als die Menschen? Ob das nun durch Intelligenz, Geld, Adel oder etwas anderes manifestiert wird, ist eine ganz andere Frage.
Objektiv betrachtet wäre eine Diktatur mit einem idealen Herrscher, der nach rein objektiven Maßstäben handelt doch das Beste, oder nicht?

Demokratie versucht dies zu erreichen, indem man einen Konsens sucht und hoffentlich findet. Auch deswegen, weil "Objektivität" immer noch eine Frage des Standpunkts ist. Was ist denn "besser" und was schlechter? (Das sind rhetorische Fragen)


quote:
Du führst hier weniger eine Demokratiediskussion als eigentlich vielmehr eine Gerechtigkeistdiskussion...


Das sehe ich nicht so, weil Gerechtigkeit ist etwas, dass man nur im Rahmen eines Wertesystems herstellen kann. Wenn dann eher die Grundlage dieses Wertesystems

quote:
Von daher könnte man den Ansatz nehmen:
Man nehme eine Gruppe Individuen. Diese lasse man dann Regeln ausarbeiten für einen Staat / gerechtes zusammenleben - und zwar ohne dass sie vorher wissen was sie in diesem Staat werden (intelligent, dumm, behindert, Mörder, verbrecher, arm, reich etc.)

Sprich: Man gehe davon aus das ein Mensch keinerlei soziale Stellung bzw. sonstige eigenschaften habe und gehe dann mit dem einfachen Kalkül ran, dass er für jeden Fall abgesichert sein will...


Ja genau, das ist ja schonmal unser Konsens, ein ganz interessanter Aspekt. Klingt ein wenig nach "Was Du nicht willst das man Dir tu, das füg' auch keinem And'ren zu." Was ja bekannt ist. Aber scheinbar nicht eingehalten wird...




Der Mindestlohn war nur ein Beispiel dafür, wie komplex die Fragestellung wird, wenn man nur obige Annahme verfolgt. Wer betrachtet sich denn als Minderheit? Oder die Zusammenhänge sind so komplex, dass es dem einzelnen nur schwer möglich wird sie nachzuvollziehen.
patsetsfire *music, my true love*

RANG Prophet of Clanintern

#28 - 01.02 23:27

Platon plädiert ja in seiner Werk Politea für eine Oligarchie. Es soll einen weisen Herrscher geben. Den Philosophenkönig, derjenige der am intelligentesten ist und weise für das >Volk entscheidet.
Ansich keine schlechte Sache, wenn da nicht die negativen Eigenschaften des Menschen wären.
Der_Kiesch *moep*

RANG Master of Clanintern

#29 - 02.02 14:03

quote:

Objektiv betrachtet wäre eine Diktatur mit einem idealen Herrscher, der nach rein objektiven Maßstäben handelt doch das Beste, oder nicht?


Ja.

Diesen idealen Herrscher gibt es nur leider in Praxi nicht...

P.S: Er müsste nicht nur Objektiv sein, sondern auch quasi von allem ne Ahnung haben - damit er auch wirklich genug Kompetenzen hat um zu allen Themen die "richtigen" entscheidungen zu treffen.

quote:

Ja genau, das ist ja schonmal unser Konsens, ein ganz interessanter Aspekt. Klingt ein wenig nach "Was Du nicht willst das man Dir tu, das füg' auch keinem And'ren zu." Was ja bekannt ist. Aber scheinbar nicht eingehalten wird...


Ganz einfaches Problem: Man weiß in aller Regel im praktischen Leben, dass man der Gruppe / Minderheit der man was tut ja sowieso nie angehören wird.
Nehmen wir die Juden im 2. WK mal als einfaches Beispiel: Viele haben weggesehen oder mitgemacht - da sie nie selbst in Gefahr waren / sich nie in Gefahr gesehen haben - das stumpft hier und da das Gerechtigkeitsempfinden ab.

quote:

Ansich keine schlechte Sache, wenn da nicht die negativen Eigenschaften des Menschen wären.


Ich hasse dieses Postulat: "Es gibt keine guten Menschen."
Das stimmt nämlich einfach mal nicht.
Nicht jeder ist von Macht korrumpierbar. Nicht jeder wird verführt zu selbstbereicherung etc.. Nicht jeder vergisst seine Wurzeln und sein Gerechtigkeitsempfinden und schaut nur auf den eigenen Vorteil.

Vielmehr ist das Problem eher das Menschen die durch Macht nicht korrumpierbar sind eher seltener nach Macht streben UND sie auch noch erreichen...

quote:

Das sehe ich nicht so, weil Gerechtigkeit ist etwas, dass man nur im Rahmen eines Wertesystems herstellen kann. Wenn dann eher die Grundlage dieses Wertesystems


gerechtigkeit ist aber ein Fragenkomplex der erstmal unabhängig von Demokratie ist.
Wobei natürlich deine Fragestellung nach "was darf Demokratie" ja von vorneherein auf eine Gerechtigkeitsdiskussion hinauslaufen MUSS - da nichts anderes als die Frage der Gerechtigkeit und "Moral" die "Rechte" der Demokratie einschränken kann.

@die Aristokratiefrage

Ich sehe es weniger als Aristokratie - prinzipiell ist die entsprechende Gruppe (Politiker) dafür zu groß und zu wenig gegen die restliche Bevölkerung abgeschlossen.